SZ-Magazin vom 01.06.2018

Liebe Freunde von Olivelove!,

Olivenöl-Berichte in den Medien lassen mich regelmäßig erschaudern, denn man glaubt es nicht, wie viel Unsinn da verbreitet wird. Selten sind die Informationen fundiert und selten sprechen sie die wesentlichen Aspekte an, die für den Verbrauer aufklärend und wichtig wären. Zu oberflächlich und leider meistens schlichtweg falsch.

Um so erfreulicher das Interview im "Süddeutsche Magazin" vom 1. Juni 2018 (siehe im folgenden) mit dem Herausgeber der Zeitschrift Merum für Wein und Olivenöl und dem Standartwerk „Dossier Olivenöl“. Andreas März hat in diesem Interview die wichtigsten Fragen hervorragend beantwortet. Die Inhalte decken sich übrigens 1:1 mit denen unserer Website. Das einzige, was ich vermisst habe, sind die gesundheitlichen Aspekte, die ein Top Olivenöl zu bieten hat. Aber das könnt ihr zur Erinnerung ja noch einmal hier auf unserer Webseite nachlesen.

Herzliche Grüße

Elke

Aus der App der Süddeutschen Zeitung: Ein Artikel des SZ-Magazins Nr. 22/2018

https://zeitung.sueddeutsche.de/webapp/issue/SZM/2018-22/9/index.html

»Milde ist meistens ein Zeichen von Ranzigkeit«
Warum ein Spitzen-Olivenöl im Hals brennen muss, was von der Aufschrift »extra vergine« zu halten ist und was selbst die fleißigsten Bauern oft falsch machen: Ein Gespräch mit dem Olivenöl-Experten Andreas März


SZ-MAGAZIN Ich habe hier eine Flasche Olivenöl aus dem Supermarkt bei mir um die Ecke, den halben Liter für 4,49 Euro. Der Herstellername auf dem Etikett klingt italienisch, und es steht drauf, das Öl sei extra vergine. Würden Sie es bitte probieren und mir sagen, ob es ein gutes Öl ist?
ANDREAS MÄRZ Das kann keinesfalls gut sein. Für 4,49 Euro kriegen Sie nie einen halben Liter hochwertiges Extra-Vergine-Öl.


Aber das steht doch da?
Extra vergine oder nativ extra beschreibt die höchste Qualitätsstufe beim Olivenöl. Leider sind mindestens 95 Prozent aller sogenannten Extra-Vergine-Öle in Wirklichkeit keine. Oft lässt sich schon am Preis eines Öls die Qualität erkennen. Ich vermute, bei Ihrem Öl handelt es sich bestenfalls um ein natives, also ein Vergine-Öl. Das muss nicht schlecht sein, aber es ist halt kein Meisterstück, wie das Etikett glauben lässt. Meisterstücke sind rar und kos­ten Geld.


Warum sind Sie sich so sicher, ohne es probiert zu haben?
Weil der Hersteller ein Abfüller ist wie Berio, Bertolli, Carapelli, Dante, Farchioni, Sagra, Sasso und viele andere. Ihre Namen klingen italienisch, in Wirklichkeit mischen sie aber riesige Mengen von Olivenöl aus dem ganzen Mittelmeerraum. Ich wohne seit vierzig Jahren in der Toskana, meine Familie bearbeitet mehr als 5000 Olivenbäume und betreibt eine eigene Ölmühle, ich gebe jedes Jahr Merum heraus, einen Olivenölführer mit den besten Ölen Italiens. 2005 verklagte mich einer dieser Ölkonzerne wegen Rufschädigung und Verleumdung. Dabei hatte ich bloß beschrieben, dass ihre Öle ranzig und stinkig seien. 2009 wies ein italienisches Gericht die Strafklage ab. Wer über eine funktionierende Nase verfügt, kann leicht selbst feststellen, was die Olivenöle aus dem Supermarkt taugen.


Das teuerste Extra-Vergine-Öl in meinem Supermarkt kostet etwas mehr als elf Euro für den halben Liter. Soll ich das kaufen?
Ich finde, ein Spitzenprodukt wie echtes Extra Vergine sollte man nicht im Supermarkt kaufen, sondern im Fachhandel. Trotzdem ist der Preis leider keine Garantie für Qualität. Er kann ein Hinweis sein, doch der Umkehrschluss stimmt nicht: Zwar kann ein halber Liter hervorragendes Extra Vergine unmöglich 4,49 Euro kosten, aber dass ein teures Öl gut ist, steht nicht fest. Es gibt mehr schlechte teure als gute teure Öle.


Kann ich an der Farbe erkennen, ob ich ein Spitzenöl gekauft habe? Meins ist gelblich.
Auf die Farbe ist kein Verlass. Die schönste Farbe beim Olivenöl ist ein zartes Hellgrün. Dunkelgrün deutet auf zu hohe Temperaturen bei der Pressung hin, ein warmes Gelb auf Oxidation, also zu viel Sauerstoff.


Früher stand oft »kaltgepresst« auf dem Etikett. Das galt, für Laien jedenfalls, als Qualitätsmerkmal. Dieses Wort ist fast verschwunden. Gut oder schlecht?
Gut. Wer »erste Pressung« oder »kaltgepresst« aufs Etikett schreibt, geht davon aus, dass der Käufer keine Ahnung hat, sich aber von solchen Ausdrücken beeindrucken lässt. Heiß wird seit Urzeiten nicht mehr gepresst, nämlich seit Sklaven oder Esel die Mühlsteine nicht mehr in Bewegung halten müssen. Damals wurde mehrmals gepresst, um am Ende mit heißem Wasser das letzte Öl aus dem Olivenbrei zu lösen. Seit Ölmühlen elektrisch betrieben werden, gibt es keine zweite Pressung mehr. Auch keine heiße.


Bei welcher Temperatur wird Öl heute gepresst?
Jenes der obersten Kategorie, nativ extra oder extra vergine, darf laut Gesetz nur bei maximal 27 Grad gepresst werden. Qualitäts­produzenten arbeiten mit Temperaturen bis höchstens 24 Grad, da sich ab 25 Grad unerwünschte qualitative Veränderungen abspielen können. Man sollte wissen: Je höher die Temperatur, desto größer zwar die Ausbeute, aber desto fehlerhafter das Öl.


Ich müsste also mein Öl erst probieren, um zu wissen, ob ich das bekomme, was draufsteht?
Sie müssen riechen und verkosten. Ist der Geruch in Ordnung, stimmt meistens auch der Geschmack. Verkosten ist natürlich nur bei einem guten Händler möglich, aber im Supermarkt kriegen Sie sowieso kein Spitzenöl. Die Mühe des Verkostens müssen Sie sich einfach machen. Weinliebhaber tun das ja auch. Ich habe kein Mitleid mit dem Verbraucher. Vielleicht ist ihm ein mittelmäßiges Olivenöl gut genug? Es ist ja nicht ungenießbar, nur für höhere Ansprüche taugt es nicht.


Und wie schmeckt echtes Extra-Vergine-Öl?
Also, dann gießen wir jetzt das Öl, das Sie mitgebracht haben, in einen kleinen Becher, und ein extra vergine, wie es sein soll, in einen zweiten. Jetzt riechen Sie an beiden. Und?
»Die Herstellung von Olivenöl kostet zwischen fünf und zwanzig Mal mehr als die Herstellung von Rapsöl oder Sonnenblumenöl«
Eines ist hellgrün und riecht nach Gras. Das andere ist gelblich und riecht weniger frisch. Aber wonach, kann ich nicht sagen.
Es riecht nach Essig, nach vergorenen Früchten und leicht ranzig. Das sind Fehl­aromen.


Was sind Fehlaromen?
Alles, was nicht ausschließlich frisch und pflanzlich riecht. Ein Extra Vergine darf keinerlei Fehlaromen aufweisen, so lautet die EU-Verordnung 1348 aus dem Jahr 2013. Es kann nach Gras, Artischocken, grünen Bananen oder unreifen Tomaten riechen, ganz egal – solange der Geruch frisch und pflanzlich ist.


Ich probiere jetzt mal beide Öle, ja?
Und? Was schmecken Sie?


Das grünliche kratzt ja ziemlich im Hals. Mein Supermarkt-Extra-Vergine-Öl dagegen schmeckt mild. Ehrlich? Ich finde mein Supermarktöl besser.
Das ist Ihr gutes Recht, aber dann kaufen Sie künftig besser ein gutes Rapsöl als ein schlechtes Olivenöl. Olivenöl ist wohl eher nichts für Sie. Milde ist meistens ein Zeichen von überreifen Oliven oder von zu hohem Alter, also von Ranzigkeit. Dazu kommt ein kultureller Aspekt: Nördlich der Alpen kennen wir Schmalz und Butter als Fette, die neutral schmecken. Eines, das bitter und scharf schmeckt, ist für Italiener und Spanier normal, für uns nicht. Darum haben Menschen nördlich der Alpen an mildem Olivenöl so wenig auszusetzen. Auch das ist ein Grund, warum man den Deutschen so leicht billiges Öl als hoch­wertiges verkaufen kann.


Warum muss Olivenöl von höchster Qualität etwas bitter schmecken und im Hals kratzen?
Essen Sie mal eine Olive direkt vom Baum, die spucken Sie schneller aus, als Sie denken können. Der bittere Geschmack kommt von Polyphenolen, das sind Antioxidantien, die schützen sowohl die Olive als auch unsere Gesundheit. Ein kleiner Teil dieser Stoffe bleibt nach der Verarbeitung im Öl. Das brennt im Hals und zeichnet ein gutes Öl aus. Die Bitterkeit verfliegt sofort, wenn es sich mit anderen Lebensmitteln wie Nudeln oder Gemüse verbindet.


Aber so ganz wird mir nicht klar, warum ich sehr viel Geld für ein Spitzenöl ausgeben soll, das erst mal bitter schmeckt und im Hals kratzt.
Die Herstellung von Olivenöl kostet, je nach Anbauregion, zwischen fünf und zwanzig Mal mehr als die Herstellung von Rapsöl oder Sonnenblumenöl. Es ist die Ausweg­losigkeit, die Bauern dazu zwingt, ihre Oliven und ihr Öl unterhalb der Herstellungskosten abzugeben. Ein hochwertiges Olivenöl ist ein Genuss, jedenfalls für seine Liebhaber. Braten Sie mal frische Zucchini bei 170 Grad in gutem Olivenöl an. Oder gießen Sie einen großzügigen Schluck davon über mit Parmesan bestreute Eier­nudeln oder einfach über eine Scheibe Baguette. Es gibt wenig, was köstlicher schmeckt. Meine Frau benutzt das Öl zum Backen wie zum Braten, der Geschmack wird einfach besser. Und wenn wir unsere Gäste überraschen wollen, servieren wir zum Nachtisch unaromatisiertes Rahmeis oder Milcheis und gießen vor ihren Augen das hellgrüne Öl darüber. Erst ungläubiges Zweifeln, dann begeisterte Verwunderung. Das funktioniert nicht mit Öl vom Discounter.


Entscheidet die Olivensorte darüber, wie gut ein Öl wird?
Bei stichigen und ranzigen Ölen spielt die Sorte eine sehr untergeordnete Rolle. Erst bei einem vollwertigen Extra Vergine bestimmt die Sorte das Aroma.


Was ist dann nötig, um ein Spitzenöl herzustellen?
Ein Olivenproduzent muss seine Bäume regelmäßig beschneiden, meistens sind es ein paar Tausend. Er muss sie düngen, am bes­ten organisch. Das Gras unter den Bäumen muss geschnitten werden. Gegen möglichen Schädlingsbefall kämpft ein Biobauer mit stumpfen Waffen, er darf nur natürliche Produkte und wenig Kupfer einsetzen. Bei der Ernte ab Mitte Oktober pflückt er die Oliven schonend, lässt sie in Netze fallen, nicht auf den Boden, um sie nicht zu verletzen. Dann bringt er sie in kleinen und gut belüfteten Kisten so schnell wie möglich zur Ölmühle, denn schon nach sechs bis sieben Stunden setzt der Zersetzungsprozess ein. Die Wahl der Ölmühle ist entscheidend.


Ich habe mir bisher Ölmühlen wie Autowaschanlagen vorgestellt – alle ziemlich gleich gut.
Auch mir hat erst vor knapp 20 Jahren ein Freund klar gemacht, dass mein Öl in der Mühle kaputtgemacht wurde. Das war ein Schreck: 20 Jahre Arbeit hatte ich in Mist gesteckt, ohne es zu wissen. Der Freund sagte, du brauchst eine eigene Mühle. Ich hatte aber kein Geld. Ich habe mir trotzdem eine besorgt. Das Öl, das dann da rauskam, hat mich umgeworfen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.


Was wird in Ölmühlen falsch gemacht?
Zu wenig Hygiene, zu viel Zugabe von Wasser, zu viel Luftkontakt, zu hohe Temperaturen, zu lange Verarbeitungszeiten. Sämtliche Maschinenteile müssen täglich gereinigt werden, sonst fangen die Rückstände an zu stinken. Man muss die gewaschenen Oliven gut trocknen: Kommen sie während des Mahlvorgangs mit zu viel Wasser oder zu viel Sauerstoff in Berührung, bedeutet das den Tod eines Spitzenöls. Und Temperaturen über 24 Grad auch.


Können große Ölmühlen deshalb so billig produzieren?
Die großen Ölvermarkter kaufen Öl aus den Mittelmeerländern zu und bezahlen derzeit um die drei Euro für den Liter. Das ist lächerlich wenig. Mit diesem Taschengeld kann man weder in moderne Technik inves­tieren noch die Bauern anständig bezahlen. Ich habe Bilder gesehen, da lagern Oliven in Spanien zwei Wochen in Sonne und Regen, aufgetürmt zu Olivenbergen, im Inneren herrschen zwischen 50 und 60 Grad, unten läuft der braune Saft raus. Das ist Fermen­tation und Fäulnis, der Tod der Qualität.


Warum steht trotzdem extra vergine auf dem Flaschenetikett? Ist das nicht verboten?
Doch, schon seit 1966. Laut Gesetz ist nativ extra oder extra vergine ein Top-Öl. In Wirklichkeit wird das Gesetz aber nicht beachtet. Es wird ständig ergänzt und angepasst, 28 Parameter definieren, was ein Top-Öl ist. Viele dieser Grenzwerte sind viel zu lasch: Zum Beispiel ist ein Olivenöl, das mehr als 0,4 Prozent freie Fettsäuren aufweist, nie frei von Fehlaromen. Das Gesetz erlaubt aber bis zu 0,8 Prozent. Sehr streng hin­gegen sind die Vorschriften zur Sensorik – das geringste Fehlaroma führt theoretisch zu einer Deklassierung des Öls zu einfachem Vergine.


Deutsche vertrauen sehr der Stiftung Warentest. Die hat in diesem Frühjahr 27 Olivenöle getestet, angeblich alle extra vergine. Zwei bekamen die Note mangelhaft, vier die Note gut, keines die Note sehr gut. Und nur so eines dürfte doch als extra vergine bezeichnet werden, oder?
Das Missverständnis der Tester äußert sich schon in der Terminologie: Der Begriff »extra vergine« ist weder dehnbar noch dem Gutdünken überlassen. Entweder ist ein Öl extra vergine oder nicht. Es kann nicht mit befriedigend oder ausreichend benotet werden und trotzdem extra vergine sein. Im Fall von Stiftung Warentest heißt das, nur zwei der 27 getesteten Öle bekamen die Note mangelhaft und entsprechen somit nicht den gesetzlichen Vorgaben. Das Resultat ist so beliebig, dass es keines weiteren Kommentars bedarf.


Trauen Sie den Verkostern der Stiftung Warentest nicht?
Verkoster sind auch nur Menschen, also nur beschränkt zuverlässig. Um es auf den Punkt zu bringen: Je schlechter der Verkos­ter, desto besser das Öl. Die Stiftung Warentest kümmert sich praktisch nur um Massenware, die Tester vergleichen nicht gute Öle mit schlechten, sondern in der Regel schlechte mit schlechten, und von denen sind halt ein paar Öle ein bisschen weniger schlecht als die anderen. Die kürt man dann zu den »guten«. Auf dem Platz ganz oben auf dem Treppchen wechseln sich Lidl und Aldi ab.


Aber Angst, wegen gepanschten Olivenöls zu erkranken, muss man nicht mehr haben, oder? Das war 1981 bei 20 000 Spaniern der Fall, einige sind sogar gestorben.
Nein. Man kann davon ausgehen, dass die Supermarktöle gut kontrolliert werden, ein gesundheitliches Risiko besteht keinesfalls. Es wird viel weniger gepanscht als früher, Olivenöl wird also kaum noch mit Rapsöl oder Sonnenblumenöl gemischt. Die gro­ßen Betrügereien sind vorbei, aber die kleinen finden in großem Ausmaß statt.


Ist jedes Öl, das aus Ölen verschiedener Länder gemischt wird, automatisch minderwertig?
Theoretisch kann ich ein italienisches Spitzenöl mit einem Spitzenöl aus Andalusien mischen, und es bleibt ein Spitzenöl. In der Praxis geschieht das so aber nicht. Gemischt werden die Massenöle. Es geht darum, die Mängel der einzelnen Öle etwas auszugleichen und eine Qualität zu erzielen, die für den Kunden zumutbar ist und die Gesetze gerade noch einhält.
»Dass die Italiener in puncto Olivenöl einen besseren Geschmack hätten als die Deutschen, ist eine romantische Vorstellung«
Sie sagen, ein natives oder Vergine-Öl ohne den Zusatz »extra« könne ganz in Ordnung sein. Warum findet man aber fast nur Öl mit der Bezeichnung »extra vergine« im Super­markt?
Weil die Kunden Olivenöl dieser Kategorie wollen, sie haben gehört, dass es das beste ist. Also kommt diese Bezeichnung aufs Etikett. Zudem soll es aus Italien stammen, deshalb tragen die meisten Olivenöle auch einen italienischen Markennamen, egal woher sie kommen. Und selbstverständlich soll das Ganze wenig kosten. Würden die Käufer genau lesen, was auf dem Etikett auf der Rückseite der Flasche steht, wüssten sie, ob es sich um ein Öl aus Italien handelt oder nicht. Der italie­nische Markenname ist keine Garantie für die italienische Herkunft, die größten Ölmarken gehören eh nicht mehr italienischen, sondern ausländischen Besitzern.


Auf der Rückseite meines Öls aus dem Supermarkt steht klein: »Öle aus verschiedenen EU-Ländern«.
Es könnte dort auch stehen: Öle aus verschiedenen Mittelmeerländern. Dann wäre auch Tunesien dabei.


Produziert Italien überhaupt ge­nügend Öl, um die Nachfrage zu befriedigen?
Die Italiener verbrauchen selbst fast 600 000 Tonnen im Jahr, sie exportieren knapp 400 000 Tonnen, macht zusammen etwa eine Million Tonnen. Produziert werden aber durchschnittlich nur 350 000 Tonnen. Es fehlen also rund 600 000 Tonnen. Und die werden aus Spanien, Griechenland oder Tunesien billig importiert und mit italienischen Namen versehen.


Heißt das, auch Italienern wird minderwertiges Öl als hochwertig verkauft?
Dass die Italiener in puncto Olivenöl einen besseren Geschmack hätten als die Deutschen, ist eine romantische Vorstellung. Wie oft steht hier in Italien eine Flasche Olivenöl auf dem Tisch eines Lokals, dessen Etikett alle Herrlichkeit auf Erden verspricht! Dabei füllt der Patron sie in der Küche mit billigem Öl nach, und niemanden stört es.


Aber es gibt doch viele Tausend italienische Olivenbauern, und die Bauern Kalabriens und Apuliens leben seit Jahrhunderten von Oliven?
Stimmt. Und selbst der kleinste Oliven­bauer ist überzeugt, er mache tolles Öl, weil er sich Jahr für Jahr im Olivenhain abrackert, jeden Baum kennt, ihn schneidet und pflegt. Ihm ist nicht klar, dass sein Öl in der Olivenmühle kaputtgemacht wird. Italien war arm, Olivenöl billig und nahrhaft, es musste viele Familien satt machen. Darum ging es. Dass Olivenöl ein Qualitätsprodukt sein kann, ist ein junges Phänomen. Dem Wissen, das in der Weinproduktion selbstverständlich ist, hinken wir beim Öl um 30 bis 40 Jahre hinterher. Bis vor zehn, 15 Jahren war es technisch gar nicht möglich, Spitzenolivenöle zu produzieren. Die moderne Olivenölmühle ist eine reine High-Tech-Straße. Und sehr teuer. Aber es sind immer noch viele veraltete Mühlen in Betrieb. Gleich unterhalb meines Grundstücks steht eine der größten Ölmühlen der Toskana. Was da am Ende raus kommt, ist nicht extra vergine, sondern irgendwas.


Ginge das nicht einmal als Öl für 4,49 Euro durch?
Doch, doch, denn was da so in Tankern übers Mittelmeer geschifft wird, ist noch viel schlimmer. Das ist aber nicht tragisch, denn die großen Konzerne verfügen über bestens ausgerüstete Labore und Methoden, um ihre Öle aufzuhübschen. Und solange sich an der minderwertigen Ware niemand stört, gibt keinen Grund, grundsätzlich etwas zu ändern.


Lässt sich mit solchem Olivenöl sehr viel Geld verdienen?
Nicht mal das klappt richtig. Die Ölkonzerne zerfleischen sich gegenseitig. Denn wenn Lidl ein billiges Öl anbietet, stellt Aldi ein noch billigeres ins Regal. Die Multis bekommen für ihr Öl so wenig, dass kein Geld da ist, um die Olivenproduzenten und die Ölmühlen angemessen zu bezahlen oder in neue Technik zu investieren. Aber mit Handel kann man noch am ehesten etwas verdienen: Öl kaufen und verticken. Die Produzenten von Qualitätsölen dagegen können in Nord- und Mittel­italien nur von ihrem Job leben, wenn sie 15 bis 17 Euro für den halben Liter bekommen. Wer mit Olivenöl Geld verdienen möchte, sollte auf keinen Fall Olivenbäume bewirtschaften.


Sie machen jetzt seit 40 Jahren in Olivenöl. Fürchten Sie, dass Ihre Leidenschaft mal versiegt?
Ich hoffe nicht. Aber Oliven wurden nicht zur Freude des Menschen erschaffen, schon gar nicht, um Öl zu geben, sondern strenggenommen als Dünger, um die botanische Gattung zu erhalten. Ist die Olive reif, fällt sie auf den Boden, platzt auf, aus dem Kern wächst der neue Olivenbaum, mit dem Fleisch der Olive als Dünger. Alles gut durchdacht von der Natur. Und jeder Olivenbauer macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Vielleicht ist es deshalb so schwer, ein Spitzenöl herzustellen.

Ende

Zurück zum Blog